Venedig! Was hat man nicht schon alles über diese Stadt gehört?

Klischees, romantische Geschichten, dem nahenden Untergang geweiht, kulturelles Juwel, völlig überlaufene Touristenhochburg. Dies alles trifft auf die faszinierende Stadt mit dem ganz besonderen Charme an der oberen Adria zu. Aber Venedig ist noch so viel mehr – es ist auch ein perfekter Platz, um sich ein paar Tage einfach eine wunderbare, erholsame Auszeit vom Alltag zu gönnen, dem Dolce Vita zu fröhnen und in die ganz eigene Welt von Venedig einzutauchen. An Möglichkeiten in dieser lieblichen Stadt mangelt es wahrlich nicht! Und so entschlossen wir uns, noch ein Spätherbstwochenende im November in Venedig zu verbringen in der Hoffnung, noch ein paar sanfte, goldene Sonnenstrahlen zu erhaschen, die diesen besonderen Ort in ein ganz eigenes Licht tauchen … oder wird es gar ganz in mystischen Nebelschwaden versinken?

Nach sehr entspannter Anreise mit einigen Entspannungspausen bei noch Anfangs starkem Regen und späterem Nachlassen desselben steuerten wir direkt auf das zentral gelegene Parkhaus am Piazzale Roma zu, man gönnt sich ja sonst nichts ?. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Parkgebühren dort auch nicht höher als auf Tronchetto sind, und man spart sich die Fahrt im People Mover. Da der November nicht mehr zu Hauptsaison zählt, waren auch noch genügend Parkplätze vorhanden. Nach der Überquerung von ein paar Brücken standen wir auch schon direkt vor der Kirche San Pantalone, wo wir nach ein paar Minuten auf unsere Air-BnB-Vermieterin trafen und in der nächsten Seitengasse standen wir auch schon vor der unscheinbaren grünen Türe, die uns in unsere Dachgeschoß-Unterkunft führte. Wir zwängten uns über die immer schmaler werdende hölzerne Hendlleiter in das Obergeschoß und waren vom Ambiente und von der Einrichtung äußerst positiv überrascht! Mini-Küche, großes bequemes Bett, Esstisch und sogar ein Whirlpool ließen keine Wünsche offen! Nach kurzer Einweisung waren wir uns auch schon selbst überlassen. Der Blick aus dem Fenster verriet uns, dass die Sonne sich kurz zeigte und so musste sofort der obligatorische Ankunfts-Aperol Spritz in der Sonne her! Eine Brücke später waren wir auch schon am malerischen Campo Santa Margaritha angelangt.

Gleich ließ sich ein schönes Plätzchen noch im Freien trotz Novembertemperaturen in einem Restaurant am Campo finden und ein paar Sonnenstrahlen wärmten unser Herz. Wunderbar, genauso hatte ich es mir vorgestellt, dass uns zum Aperol noch die Sonne ins Gesicht lacht!

Nach der Stärkung gings gleich los zur ersten Stadterkundung, die Novembertage sind kurz und das Tageslicht wollte noch genutzt werden. Also auf über bekannte und liebgewonnene Wege und Brücken zum Markusplatz, dem venezianischen Herzstück. Und auch hier lachte noch hinter der dunklen grauen Wolkendecke die Sonne hervor und zauberte den Campanile und die Markuskirche in ein wunderbares Licht! Also gleich die Kamera in Anschlag gebracht, um die wunderbare Stimmung einzufangen! Gezückt war sie ja schon gleich vom ersten Gässchen an, denn in Venedig lauert wahrlich hinter jeder Biegung eine ungeahnte fotogene Überraschung.

Das letzte Tageslicht wollte noch für die Betrachung meiner persönlichen Lieblingskirche, der Chiesa di Santa Maria dei Miracoli genutzt werden und so navigierte Andi uns zielsicher und punktgenau durchs Gassengewirr, um kurze Zeit später schon am lieblichen Plätzchen vor der Kirche zu stehen und bewundernd den malerischen Anblick zu genießen! Da war es wieder, mein Lieblingsplätzchen! In schon spätem Nachmittagslicht unter grauen tiefen Wolken lag eine ganz eigene Stimmung über diesem Ort. Ein paar Gassen weiter beschlossen wir, den Tag noch im venezianischen Stil bei einem Glas Weißwein im Freien ausklingen zu lassen, und wann immer der Wunsch nach einem schönen Plätzchen zum Ausruhen und Stärken in einem aufkommt, in Venedig ist dieser besondere Platz immer gleich um die nächste Ecke! Die Cicchetteria al Pesco Rosso auf einem ganz kleinen und ganz stillen Platz bot sich hierfür ideal. Danach noch schnell im letzten verbleibenden Tageslicht eine wärmende typische picksüße und schön mollig dicke heiße cioccolata und ich war gestärkt für den Marsch zurück zum Quartier. Das frühe Aufstehen um 3 Uhr morgens forderte nun seinen Tribut, zur gemütlichen Einkehr in ein Restaurant waren wir schon zu müde, und so nahmen wir im Feinkostladen direkt an unserem Eingang noch ein paar feine Dinge für den Nachtschmaus mit, eingelegte Antipasti, knuspriges Ciabatta, leuchtende Paradeiser und ein vermeintlicher Fläschen Venezianischen Rotweins, der sich dann jedoch als prickelnder und süßer Lambrusco entpuppte! Andi kriegte von all dem aber gar nicht mehr viel mit, fiel er doch gleich in einen tiefen , ruhigen, 15-stündigen Dauerschlaf … während ich noch die schönen Eindrücke des heutigen Tages bei italienischen Schmankerln in unserem lieblichen Dachgeschoss nachklingen ließ?

… bis wir um 06:30 Uhr des nächsten Tages von lautem Sirenengeheul geweckt wurden. Was war das? Unfähig, in schlaftrunkenem Zustand sinnvolle Schlüsse zu ziehen, suchte ich gleich panisch am Handy in den News, ob irgendwelche schlimmen Nachrichten über Venedig zu lesen waren … als ich keine Horrormeldungen à la Atomkatastrophen, Flugzeugabstürzen oder ähnlichem entdeckte nahm ich einigermaßen wieder halbwegs beruhigt die kleine Bialetti, die zum Interieur der Wohnung gehörte, in Betrieb. Der Duft nach frischem Espresso weckte das Bärchen aus seinem Winterschlaf und beim Öffnen der Dachfenster stellten wir fest, dass sich die Wolken verzogen haben und ein wunderschöner, strahlend sonniger Tag über den roten Dächern von Venedig erwachte! Herrlich, belebt vom Espresso, dem schönen Wetter, der frischen klaren Luft und der Vorfreude auf sonnige Stunden in unserer Lieblingsstadt trieben uns schon ganz zeitig auf die Gassen, nicht jedoch vorher noch in einer der berühmtesten Konditoreien, der Patissierie Tonolo, die zufällig in der Gasse unseres Appartements lag auf ein typisch italienisches Frühstück bestehend aus  herrlichem Cappuccino, serviert in herzigen blau-weißen Porzellantassen und einen picksüßen, aber wunderbar schmeckenden venezianischen Krapfen und Tiramisu vorbeizuschauen. Typisch italienisch am Tresen stehend gaben wir uns die volle Koffein- und  Zuckerdröhnung, um mit dem neu gewonnenen Energieschub gleich an der nächsten Biegung zu realisieren, was die morgendlichen Sirenen zu  bedeuten hatten – Hochwasser! Teilweise schwappte das Wasser schon über die Kanäle und ließ Gehsteige und Wege versinken. Unser Ziel des heutigen Tages sollte Murano, die Glasbläserinsel sein und so mussten wir uns den Weg zum Fondamente Nove mit einigen Umwegen, aber immer trockenen Fußes, auch dank der rasch aufgebauten mobilen Stege bahnen. Die Sonne lachte vom blitzblauen Himmel und so regte sich beim Schlendern durch die Stadt und Querung der malerischen Plätze die Lust, noch einen Kaffee in der Sonne zu trinken. Und wie es halt so in Venedig ist, hatten wir gleich den optimalen Platz in der Nähe des Campo Santo Sofia gefunden. Die Heilige Sofia war gnädig mit uns, wahrscheinlich da ihre irdische Namensvetterin meistens so brav ist. Dem feinen Cappuccino folgte noch ein dem traumhaftem Sonnenschein und der wunderschönen Stimmung auf dem sonnigen Platz geschuldeter vormittäglicher Aperol Spritz in der Sonne, bei dem wir das lustige aber leider wenig umweltfreundliche Treiben der fernöstlichen Touristenscharen in ihren bunten, panisch gekauften Plastiküberstiefeln beobachten konnten. Weiter ging es dann zügig zum Fondamente Nove, wo wir gleich das erstbeste Boot nach Murano bestiegen. Eine kurze Fahrt später betraten wir schon die Insel, die Sonne lachte vom strahlend blauen Himmel.

Kurzum, die Insel wollte erkundet werden! Natürlich waren wir nicht die einzigen, die diesen Gedanken hatten und eine ruhige Seitengasse weiter befanden wir uns am Fondamente dei Vetrei schon in munterem Treiben. Das morgendliche Hochwasser befand sich schon am Rückzug und so konnten wir uns schon trockenen Fußes zu einem herrlichen Spaziergang in den nördlichen Teil der Insel aufmachen. Beim Blick von der Ponte Longo konnte man sogar in der weiten Entfernung über den roten Dächern die schon schneebedeckten Alpen sehen, was für ein toller Anblick! Vorbei an der wunderschönen Basilica di Santa Maria e Donato, die wir mit ihren fotogenen Ziegelmauern gleich als Schnappschusslocation nutzen, trieb uns ein aufgrund des bis jetzt schon etwas ausufernden Kaffeegenusses dringendes Bedürfnis zum lokalen Fußballplatz, wo wir Gott sei Dank gleich diesbezüglich fündig wurden. Erleichtert setzen wir unseren Weg fort, um der immer größere werdenden Anzahl von Menschen in bunter Laufkleidung unauffällig zu folgen, und siehe da, schon standen wir am Gelände eines Laufwettbewerbes auf Murano, wo ich jetzt aufgrund der Größe der Insel eher keinen selbigen vermutet hätte. Aus Erfahrung wissen wir ja, wie wertvoll Anfeuerungsrufe für die Finisher sind und schrien uns gleich bei ein paar zieleinlaufenden Sportlern die Seele aus dem Leib, und da „Go Go Go“ international verständlich ist, entlockten unsere Rufe sogar ein paar Teilnehmern ein vages Lächeln. ? Nach so viel sportlicher Action meldete sich schon wieder ein kleines menschliches Bedürfnis – Hunger! Schon wieder Hunger? Die Aussicht auf einen feinen Schmaus in der Sonne lies wohl unsere Verdauungsorgane Höchstleistungen vollbringen und so erreichten wir schon knurrenden Magens die auf einem wunderschönen geschützten sonnigen Platz liegende Trattoria Busa alla Torra. Obwohl noch recht Früh am Mittag füllte sich das Lokal in Rekordzeit, jedoch nicht ohne dass wir vorher das perfekte Plätzchen an der Mauer geschützt auf einem schönen Zweiertischchen ergattert hätten ? Dolce Vita pur war dann unser Mittagsschmaus, gegrilltes buntes Gemüse, Lachsfilet und Andi genoss seinen ersten Teller Spaghetti des Tages, es sollten noch weitere folgen! Wahrscheinlich schon im Unterbewusstsein spürend, dass die Sonne sich daheim für lange Zeit nicht mehr richtig zeigen wird, sog ich noch jeden Sonnenstrahl ganz intensiv auf. Wieder gut gefüllten Bauches spazierten wir vorbei an wunderschönen Backsteingebäuden, auf denen herbstliche Lichtspiele tolle Fotomotive zauberten weiter zur Bootsanlegestelle und die Reise ging im gut gefüllten Vaporetto retour zur Big Island Venedig, welches nun schon in sanftem Nachmittagslicht getaucht war. Ich muss sie nochmals sehen, in diesem schönen Licht, meine geliebte Chiesa di Santa Maria dei Miracoli! Ein paar gekonnte Blicke meines Navigators Andi auf seine Handy-Karte verrieten ihm sofort die Route und kurze Zeit später leuchtete schon hinter der nächsten Biegung die wunderschöne marmorweiße Fassade vor dem blassblauem Spätherbstnachmittagshimmel. Und da war es schon wieder, das Bedürfnis nach italienischer Kulinarik, wie es sofort an diesen wunderschönen, einladenden Plätzen immer in mir hochsteigt. Wie können die Italiener eigentlich schlank bleiben? Zum Draußensitzen waren die Tauben gar zu gefräßig, sodass wir uns einen feinen starken Espresso mit einem Schoko- und Pistaziencannoli ganz stilgerecht an der Bar eines kleinen Kaffeehauses schmecken ließen. Voller Energie und mit einer leichten Koffeinübersdosis intus schwebten wir förmlich durch das gut besuchte und stimmungsvolle Gassengewirr Venedigs, vorbei an der Chiesa di Santa Maria Formosa und ihrem großzügigen Vorplatz, jetzt nicht mehr von Gastgärten und Touristen übersät, sondern viel Platz fürs Auge, um das ganze Ambiente auf sich wirken zu lassen. Und weil die Stimmung gar so schön war, wollten wir auch noch mal das schönste Platzensemble von Venedig in seinem besten Licht besuchen und spazierten entlang der Riva degli Schiavoni auf die Piazza San Marco, um den wunderschönen Palazzo Ducale fotografisch in der tiefstehenden sanften Nachmittagssonne einzufangen. Wir beobachten noch eine Weile das Treiben und danach geht’s retour in „unser“ Sestiere Dorsoduro, jedoch nicht ohne nochmals von der wunderschönen Ponte dell’Accademia einen Blick zurück auf den Canale Grande und die antiken Gebäude, die nun schon ganz kitschig von der schräg stehenden untergehenden Sonne beschienen wurden. So viele Eindrücke ließen wir noch in unserem heimeligen Dachgeschoss Revue passieren, ehe sich wieder ein leichtes Ziehen in der Magengegend einstellte … ob das schon wieder der Hunger war? Hunger! Hilfe, also gleich auf in das schon vor der Ankunft in Venedig festgelegte Ziel des heutigen Abends – die Risoteca Oniga! Schon seit unserem letzten Venedigbesuch im August 2018 schwärmte mir Andi von den „BESTEN Spaghetti der ganzen Welt“ vor, was ich jedoch bis zu diesem Zeitpunkt nicht beurteilen konnte, da ich damals keinen einzigen Bissen davon abbekommen hatte – angeblich ZU gut zu teilen!!! Gibt’s sowas überhaupt? Ich wollte mich selbst davon überzeugen! Mit viel Glück bekamen wir noch einen Platz im Lokal, obwohl wir schon vor der Öffnungszeit (19:00 Uhr, da knurrt dem Mitteleuropäer schon das Magal!) gestellt waren. Das Warten hatte sich gelohnt und in dem kleinen urigen Lokal wurden wir mit feinsten Speisen und wunderbarem Hauswein verwöhnt. Andi schlemmte wieder genüsslich die „BESTEN Spaghetti der ganzen Welt“, während ich einen wundervollen gegrillten Fisch in Pistazienkruste auf gegrilltem Gemüse genoss, nicht aber ohne vorher noch mir einen Bissen von den BSDGW (Besten Spaghetti der ganzen Welt) zu stibitzen. Mein kleiner kulinarischer Diebstahl blieb nicht ohne Folgen, da dann auf die Frage ob es noch ein Dessert sein darf meinerseits die himmlische Schokoladen-Pistazientorte, für Andi jedoch eine erneute Portion BSDGW sein sollte! Mit letzter Kraft verputzen wir noch die kleinsten Reste am Teller und ich fragte mich dann, ob wahrscheinlich die Torte sowieso mehr Kalorien hatte als die weitere Pastaportion ? Noch ein Gläschen vom wunderbaren roten Oniga-Hauswein und dann schlenderten wir satt, zufrieden und erfüllt von einem großartigen Tag in Venedig noch durch das nächtliche sanft erleuchtete Venedig, um die dicken Bäuche über die steile Hendlleiter in das Dachgeschoß zu hieven und trotz des sicher noch überdimenional hohen Koffeinspiegels in sanfte Träume zu entschlummern … um am nächsten Tag wieder „sanft“ von der Hochwasser-Sirene um 06:30 Uhr geweckt zu werden. Ein Blick aus dem Fenster zeigte  uns, dass über Nacht das schlechte Wetter mit dem Regen zurückgekehrt war … und so beschlossen wir, nach einem starken Frühstücks-Espresso in unserer „Stammkonditorei“ Tonolo und dem besorgten Blick auf das weiter steigende Wasser in den Kanälen es heute beim Frühstück in Venedig zu belassen, um gemütlich die Heimreise nach Österreich antreten zu können. Der sonnige Sonntag in Venedig war ein wunderbares Geschenk im durchgehend trüben, feuchten und nassem November 2019. Hach, Bella Venezia, du siehst uns sicher bald wieder, und gehst uns vorher bitte NICHT unter!