In unserer Lebensweise der nahezu unbegrenzten Möglichkeiten hatte der Gedanke an eine Situation, wie wir sie gerade erleben, überhaupt keinen Platz.
- Schönes Wetter? – Super, wir fahren am Wochenende spontan mal weg.
- Lust auf feine Speisen, aber keine Lust aufs Kochen? – Das nächste Restaurant freut sich auf deinen Besuch!
- Langes Wochenende vor der Türe? – Perfekt für eine Städtereise!
- Neue Kleidung muss her? – Ab ins nächste Shoppingcenter!
- Mama hat Geburtstag? – Wunderbar, die ganze Familie trifft sich beim Lieblingswirten.
- Pizzaessen mit Freunden? – Die Schwierigkeit ist eher, einen freien Termin bei vielbeschäftigten Menschen im mittleren Alter heutzutage zu finden als eine geeignete Lokalität.
- Ein sportliches Event muss her? – Ein Leichtes, an jedem Wochenende finden zahlreiche Sportveranstaltungen statt.
- Die Arbeit ist zähe, die Kreativität stockt? – Der nächste Kollege freut sich sicher auf eine gemeinsame Kaffeepause.
- Vom Bildschirmarbeiten tut schon alles weh? – Kein Problem, das nächste Massageinstitut hat sicher bald einen Termin frei.
- Die Frisur sitzt nicht perfekt? – Der Friseur deines Vertrauens hat sicher umgehend einen Termin für dich frei.
- Die Kinder zum Lernen animieren? – Heute keine Zeit oder Lust – das lassen wir den Lehrkräften morgen in der Schule tun, die können das sicher besser!
- Das Klopapier ist aus? – Kein Problem, der nächste Supermarkt hat zahlreiche Röllchen vorrätig.
- Schnelle Küche gefragt? – Hol doch bitte noch Nudeln aus dem Supermarkt, die Regale sind doch immer gut gefüllt.
- Krank, verunfallt oder Schmerzen? – Der nächste Arzt oder das nächste Krankenhaus wird dir sicher umgehend helfen.
Und dann plötzlich ändert ein kleines, unsichtbares Virus mit großer Wirkung auf einmal alles!
- Und jetzt?
- Leere Restaurants
- Leere Geschäfte
- Leere Sportstätten
- Leere Schulen
- Leere Büros
- Leere Straßen
- Leere Supermarktregale
- Leere Arztpraxen
- Leere Terminkalender
- ….
Krisen wie die aktuelle bringen den Menschen zum Handeln. Wenn man muss, geht plötzlich sehr vieles. Nach einer ersten Reaktion der Panik, des ununterbrochenen Nachrichtenlesens, des ungläubigen Staunens über all diese Auswirkungen haben sich bei den meisten von uns die aufgewühlten Gedanken wieder etwas setzen können und man erkennt, dass das Leben weitergehen muss. Und weitergehen wird. Bei den vielen verheerenden und schlimmen gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise ist es nicht leicht, den Fokus wieder auf die positiven Dinge zu lenken. Immer wieder schweifen die Gedanken beim Lesen der beunruhigenden weltweiten Nachrichtenlage auf besonders schlimme, persönliche Was-Wäre-Wenn-Szenarien ab und manchmal fragt man sich vielleicht immer noch, ob das alles nur geträumt war?Und so manch einer spürt immer wieder in sich hinein, ob das leichte Kratzen im Hals oder das plötzliche Unwohlsein nicht schon die ersten Anzeichen eines Virusbefalls wären?
Und dann gibt es plötzlich den Moment, wo man einfach mal hinaus in die Natur muss, um den Kopf frei zu kriegen. Und irgendwann trifft einem die Erkenntnis, das jetzt etwas anders ist.
- Der Himmel ist klarer ohne die vielen Kondensstreifen.
- Die Vögel singen lauter ohne die permanenten Hintergrundgeräusche des Verkehrs.
- Selbst die Luft, die wir Einatmen, erscheint reiner und besser.
- Man hat sogar irgendwie das Gefühl, man könnte leise die Erde erleichtert aufatmen spüren.
Da ist er, der Hoffnungsschimmer, der es uns ermöglicht, den Blick wieder auf das Positive zu lenken. Es ist es wert, etwas länger an ihm festzuhalten, denn die vielen negativen Gedanken bringen und tragen auch nicht zu einer Besserung der Situation bei.
- Entschleunigung.
- Zurück zum Einfachen.
- Weniger ist mehr.
- Weniger Dekadenz.
- Sogar JOMO-Feeling (Joy Of Missing Out) stellt sich ein.
Ist nun nicht genau DAS eingetreten, was wir uns nicht oft insgeheim im sich immer mehr beschleunigenden Leben gewünscht haben? Und nie gewusst haben, wo wir da überhaupt anfangen sollten? Und etwas entmutigt immer brav weitergestrampelt haben, weil ein Einzelner das „System“ so schwer brechen oder ändern kann?
Ob es nicht unhöflich ist, die Einladung abzusagen, die wir schon so lange ausgemacht hatten, aber auf die wir gar keine richtige Lust mehr verspürten?
Die lange geplante und mühsam angesparte Reise gar nicht wirklich antreten möchten, weil wir uns im Hamsterrad bis zur letzten Stunde vor dem Abflug müde gestrampelt haben, um alles noch vorher perfekt erledigen zu können?
Das Sporttraining müde und unmotiviert durchgezogen haben, weil wir uns zum Sportevent X angemeldet haben und doch dabei halbwegs glänzen möchten?
Den Gutschein vom Geschäft X noch unbedingt einlösen müssen und daher noch rasch den nächsten Shoppingtempel aufsuchen müssen?
Das coole und günstige Reiseschnäppchen noch ins letzte freie unverplante Wochenende reinquetschen?
Die große Geburtstagsfeier der Erbtante ansteht, aber wir eigentlich lieber den ganzen lieben langen Tag im Bett bleiben möchten?
Den Chef davon zu überzeugen, dass auch mal ein Tag im Home Office ein sehr produktiver und ohne Anreise auch ein umweltfreundlicher sein kann, aber die Firmenkultur total dagegenspricht, weils bis jetzt immer SO war und nur vor Ort im Büro ordentlich gearbeitet werden kann?
Und jetzt? Der Blick in den leeren Terminkalender kann viele Gefühle heraufbeschwören. Erleichterung, endlich mal mehr Zeit zu haben? Oder doch Einsamkeit? Oder doch vielleicht auch ein kleines bisschen wieder Stress, jetzt endlich Zeit für die Dinge zu nehmen, die wir nie getan haben oder uns nie Zeit dafür genommen haben. Endlich Zeit für die ganzen Erledigungen, die wir jahrelang aufgeschoben haben? Jetzt endlich fit werden! Jetzt endlich zur Inneren Ruhe finden durch Yoga, Meditation, Atemtechniken etc. Jetzt endlich Zeit haben für gesundes Essen kochen, zum schlank werden, zum fit werden, zum Ausmisten, zum Ordnung schaffen, zum Chinesisch lernen. Und schon wieder tun sich 1000 Möglichkeiten auf, mit denen man sich seinen Kalender und seine neuen Zeitfenster schön vollstopfen könnte. Doch es sei auch mal gesagt:
Eine globale Pandemie ist kein Selbstoptimierungs-Retreat! (© Ida Maria Heinzel). Es ist ein gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher, ökologischer und auch persönlicher Umbruch. Es ist das, was wir uns wohl schon so lange im Kollektiv gewünscht haben. Und es ist auch die Zeit für
- Leere,
- Ruhe,
- Tiefgang,
- Sein-Lassen,
- Sich Treiben lassen.
- Mal Gar Nichts tun – wenn man es kann.
Denn nicht jeder hat dieser Tage mehr Zeit, viele haben nicht nur berufsbedingt viel weniger Zeit. Oder die Zeit verschiebt sich von Nicht-Notwendigen Tätigkeiten zu den Notwendigkeiten.
- Essen kochen.
- Menüpläne erstellen.
- Vorratskammerbestände prüfen.
- Reste verkochen. Einkaufen.
- Putzen. Familie bespaßen.
- Freunden ein offenes Ohr für die Sorgen leihen.
Alltägliches, das jetzt aber viel mehr Raum einnimmt, da die Möglichkeiten fehlen, sich vieles davon abnehmen zu lassen.
Wenn nichts mehr selbstverständlich ist, kann man sich auch die Frage stellen: Was fehlt mir wirklich? Was brauche ich wirklich, um glücklich zu sein? Was vermisse ich jetzt schon und worüber bin ich froh, dass ich es jetzt gerade nicht muss? Und was können wir davon in eine After-Corona-Zeit mitnehmen? Was können wir in Zukunft SEIN-Lassen und mehr Raum schaffen für Dinge, die man als wirklich wichtig definiert? Wie können wir in Zukunft mehr Nachhaltigkeit, Dankbarkeit, Hilfsbereitschaft, Gesundheit, Gelassenheit und Umweltfreundlichkeit leben?
Wir müssen uns jetzt wohl oder übel mit dem auseinandersetzen, was jetzt DA ist. Der Partner an unserer Seite, die Wohnsituation, die Kinder, die Versorgung der Eltern. Wahrscheinlich ist nicht alles immer rosig. Und doch ist es eine Chance, sich über manche Lebensbereiche klarer zu werden. Weil wir jetzt darüber nachdenken MÜSSEN. Denn Leben ist auch Veränderung. Und Veränderung kann meistens auch positiv sein, auch wenn sie im ersten Moment Angst macht.
Wie wird der Virus unsere Gesellschaft verändern? Das kann jeder nur für sich selbst entscheiden. Ob es einen ganz großen Umbruch geben wird, das weiß bis jetzt noch niemand. Wenn jeder aber nur ein paar kleine Veränderung seines persönlichen Lebensstils in die Zukunft nach Corona mitnehmen könnte, so wäre es für jeden nur ein kleine Schritte, in Summe sind aber für unseren Planeten Erde und unsere Heimat viele kleine Schritte sicher insgesamt ein ganz Großer!
Die zahlreichen negativen Auswirkungen der Corona-Krise lassen sich wohl nicht mehr ändern oder aufhalten, aber wir können für unsere Zukunft vieles daraus lernen, vieles loslassen, vieles neu beginnen, vieles ändern, vieles auf neue Beine stellen. Versuchen, sogar in den schlimmsten und dunkelsten Stunden für jeden einzelnen das Positive zu sehen, das wird unser aller Herausforderung für die nächsten Wochen und Monate. Und wer positiv denkt, ist dabei schon den halben Weg gegangen.
Interessante Links
- Dashboards/Maps
- Sonstige
Danke für diese kreative, zum Denken anregende, warnenden und auf den Punkt gebrachten Gedanken zu dieser Ausnahmesituation. Ich persönlich finde auch, dass man in dieser Zeit die Menschen (nicht nur die einem nahe stehen) auf eine ganz andere, ich meine fast authentische Art kennenlernt –> jeder muss dann für sich selbst entscheiden, ob man diese dann noch nach der Krise MAG oder NICHT.
Vielen lieben Dank für die weiteren Gedanken zu diesem Thema! Es stimmt, in einer Krisensituation zeigen viele Menschen das wahre Gesicht, sogar jetzt neu mit Maske 🙂
Meine liebe Tochter, Du hast das derzeit aktuellste Thema aufgegriffen ( Corona) ! Es regt zum nachdenken an! Ich hoffe dieses Szenario ist bald vorbei und wir können uns wieder frei bewegen. Ich bin stolz auf dich! Deine Mama
Liebe Mama, vielen lieben Dank für dein lobenden Worte! Durchhalten lautet die Devise! Du schaffst das! Hast schon viel Schlimmeres geschafft (mich z.B. auf die Welt zu setzen :-).
Das ist wirklich ein sehr gelungener und auf den Punkt gebrachter Beitrag, der zum Nachdenken anregt ❗ Bewusst zu leben und mit sich und der Umwelt achtsam umzugehen, hat heutzutage leider einen viel zu geringen Stellenwert. Schön, dass du deine Gedanken mit uns teilst! 😎
Vielen lieben Dank für deine lieben Worte und dass du meinen Gedanken immer so einen schönen, stilvollen Rahmen gibst und diese mit tollen Bildern und sogar Zeichnungen verschönerst! Ab und zu müssen Sofias Gedanken raus aus dem Köpfchen, sonst tut er immer weh und irgendwann platzt er dann 🙂
Toll geschrieben liebe Sofia! 🙂 Mit ganz vielen Denkanstößen!
Hoffentlich nehmen wir alle etwas Gutes mit in die Zeit nach Corona! Ich freue mich darauf, mich bald wieder persönlich mit dir über unsere Gedanken zu unterhalten! 🙂
Liebe Julia, vielen lieben Dank deine Worte zum Beitrag 😊 Ich bin wirklich sehr gespannt, wenn wir alle in einiger Zeit auf die Coronakrise zurückblicken, was sich dann wirklich alles geändert hat 😊🤔 Schön, dass du Freude beim Lesen hattest, das freut mich wirklich sehr 🤗
Liebe Sofia,
Du hast ja so recht.
Mir persönlich wird ja nie fad, zu viele Bücher sind noch zu lesen, Bilder zu malen oder Weinflaschen zu öffnen…., auch muss ich noch viele füllen!
Menschen die eine „Playstation“ oder anderen Unfug brauchen um ihre kostbare Lebenszeit totzuschlagen bedauere ich aufrichtig.
Also, vielen Dank dass ich an Deinen Gedanken teilhaben durfte, ich schau wieder vorbei!
Lieber Herr von Ivo! Das freut mich sehr, dass du meinen Beitrag gelese hast und dass du auch der Nicht-Fad-Werden-Fraktion angehörst! Was braucht es schon viel mehr im Leben als Lesen, Wein und Wein-Lese 🙂 Der viele Sonnenschein wird heuer dem Wagramer Nobel-Weingut wieder ein edles Tröpfchen entlocken 😉
Hallo Sophie.
Mir hat es sehr gut gefallen deine Gedanken zu diesem Thema zulesen. Ich hoffe daß, wir etwas aus dieser Zeit lernen können. 👍
Liebe Inge! Vielen lieben Dank für deine Worte zum Artikel! Auch ich bin schon sehr gespannt, was wir alles aus der Krise lernen dürfen 😊